Die von Herrn Gemeinderat Stiftner (ÖVP) ins Spiel gebrachte Kritik an der Austro Control wegen der permanenten Überschreitung der vereinbarten Werte für Liesing, scheint mehr als berechtigt. Kurz die Vorgeschichte: Für 2004 wurde in der "Flughafen-Mediation" in Abwesenheit eines Vertreters aus Liesing die Verlegung einer Abflugroute auf den dicht besiedelten 23. Bezirk beschlossen (untere blaue Flugroute). Nachdem innerhalb weniger Wochen mehr als 10.000 Menschen dagegen unterschrieben haben, wurde im Dialogforum als 1. Maßnahme vereinbart, dass 40% der Starts auf dieser Flugroute ab Mai 2005 stattdessen um den Norden Wiens herumfliegen sollten (obere blaue Flugroute).
Da damit laut Pistenbelegungsplan ohnehin hauptsächlich bei Windstille über Liesing gestartet wird, wo es sich die Austro Control aussuchen kann, wo geflogen wird, kann der Wind nicht daran schuld sein, wenn beispielsweise 2010 46,5% mehr Starts über Liesing geleitet wurden, als vereinbart. Ebenso unterliegen auch die anzufliegenden Zielflughäfen einer langfristigen Planung, sodass bei einer absehbaren Überschreitung der Prozentsätze für bestimmte Flugrouten entsprechende Maßnahmen zu treffen wären. Die Begründung von Herrn Woborsky, dass es sich bei den vereinbarten Sollwerten nicht um Zielwerte sondern nur um eine unverbindliche Abschätzung handelt, zeigen daher auch nur, wie wenig sich die Austro Control für den Sinn von Vereinbarungen im Dialogforum interessiert.
Damit erhärtet sich der Verdacht, dass die vom Flughafen finanzierten Konstrukte Mediationsverfahren und Dialogforum nur geschickte Inszenierung sind, um die Interessen der Flugverkehrslobby rücksichtslos durchzusetzen und die Austro Control letztlich macht, was sie bzw. eine unter dem Einfluss der Flugverkehrslobby stehende Politik möchte.
Politisch wie formal ist letztlich Infrastrukturministerin Bures dafür verantwortlich, dass der Flugverkehr so abgewickelt werden sollte, dass auch die Gesundheit der Bevölkerung möglichst wenig geschädigt wird. Ein zivilrechtliches (und unfaires) Schein-Mediationsverfahren kann auch niemals staatliche Luftverkehrsregeln, welche im Interesse des Steuerzahler den Schutz dicht besiedelter Gebiete vor Fluglärm vorsehen, außer Kraft setzen. Daher ist die von der nachgeordneten Dienststelle Austro Control bei Verhandlungen mit der Wiener Stadtregierung an den Tag gelegte Blockadepolitik in erster Linie dem von der SPÖ geführten Infrastrukturministerium anzulasten.
Weitere Themen waren das längst fällige Nachtflugverbot für Wien, der gekurvte Anflug um Wien herum und die 3. Piste. Erklärungen von Herrn Gemeinderat Valentin, dass die zusätzliche Kapazität des Monsterprojekts dem Flugverkehr und gleichzeitig auch noch der Entlastung der Bevölkerung vor Fluglärm dienen sollen, wirken wieder einmal gut erfunden. So scheint es wenig glaubwürdig, dass der Flughafen zuerst 2,4 Milliarden für eine 3. Piste zahlt, um dann den erzielten Kapazitätsgewinn von 0,3 Pisten oder rund 15% für die Spitzenzeiten auch noch der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Vielmehr lässt die Ausrichtung der ohne vernünftigen Variantenvergleich festgelegten 3. Piste auf den Wiener Zentralraum und dessen Süden, und die damit mögliche Steigerung der Flugbewegungen eine systematische Zerstörung der Lebensqualität in der dichtest besiedelten Region Österreich erwarten. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob hier - so wie bei der damit stillgelegten 2. Piste zur Entlastung Wiens und der AUA-Expansion - letztlich wieder einmal der Steuerzahler für die Finanzierung zur Kasse gebeten wird.
Daneben gibt es eine Fülle von Einwänden aus unseren früheren Stellungnahmen, die von den Gutachtern nicht oder nicht ernsthaft beantwortet wurden. Davon abgesehen ist aber ohnehin die Frage zu stellen, wie seriös ein Verfahren sein kann, in dem der Flughafen 2 Jahre nach der Möglichkeit Parteienstellung zu erlangen, die Anzahl der Flugbewegungen über Liesing still und heimlich mehr als verzehnfacht hat.
Nicht nur der von der Austro Control selbst gestaltete Pistenplan zeigt, dass es keine kapazitätsmäßige oder windmäßige Notwendigkeit für die Startroute über Liesing gibt. Auch eine exemplarische Auswertung an Hand der Flugspuren der Austro Control verdeutlicht, dass es problemlos möglich sein sollte, den Flugverkehr so zu lenken, dass damit deutlich weniger Menschen vom Fluglärm betroffen wären.
So zeigen die Flugspuren für Sonntag, den 15.8.2010, dass zwischen 7 Uhr und 8 Uhr in der Früh neun (dröhnende) Starts die über das dicht besiedelte Liesing geflogen wurden, während auf der zur Entlastung Wiens aus Steuergeld mitfinanzierten 2. Piste (16/34) weniger als zehn Landungen und 2 Starts stattgefunden haben.
Selbst für den Laien scheint es naheliegend, dass auf dieser 2. Piste noch die Möglichkeit bestehen müsste, zwischen den Landungen auch noch weitere Starts über weitgehend unbesiedeltes Gebiet einzuschieben. Tatsächlich gehen Insider in diesem Zusammenhang von 45 - 55 Flugbewegungen aus, die auf einer Piste untergebracht werden können, wenn auf dieser gleichzeitig gestartet und gelandet wird.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass unnötigerweise gerade über eines der am dichtesten besiedelten Gebiete Österreichs gedröhnt wird, war der letzte Donnerstag. Auch hier wurde in der Erholungsphase am Abend alleine zwischen 20:00 und 21:00 zehnmal direkt über Liesing gestartet, obwohl auf der zur Entlastung Wiens gebauten 2. Piste mit nur 23 Landungen in dieser Zeit noch mehr als ausreichend Kapazität zur Verfügung stand. Es wäre also problemlos möglich gewesen, die Starts Richtung Tschechien und die Slowakei mit einem großen Bogen um Wien herum Richtung Norden zu führen, statt unsinnigerweise über den dicht besiedelten Süden Wiens zu fliegen.
Diese beiden Beispiele verdeutlichen, wie leicht es eigentlich möglich wäre, die Anzahl der vom Fluglärm betroffenen Menschen drastisch zu reduzieren.
Die seit 2004 überfallsartig auf das dicht besiedelte Liesing verlegten Flugrouten verursachen einen 24-Stunden-Fluglärm-Dauerschallpegel von 40,8 dBA (Durchschnitt 6 verkehrsreichste Monate), also 5,55 dBA über der Schwelle von 35,25 dBA.
LAeq Tag
62 dB(A) (Jahresdurchschnittswerte)
LAeq Nacht
52 dB(A)
(Jahresdurchschnittswerte)
LAmax
6 mal 71 dB(A) (Jahresdurchschnittswerte)
§3 Abs 3 LVR: Es wurde jedoch normiert, das durch den Betrieb keine größeren Behinderungen oder Belästigungen insb. kein größerer Lärm verursacht werden dürfe als es der ordnungsgemäße Betrieb von Luftfahrzeugen oder Luftfahrgeräten unvermeidbar mit sich bringe. §7 LVR: Bei Flügen über dichtbesiedeltem Gebiet ist eine Flughöhe einzuhalten, durch die ua unnötige Lärmbelästigungen vermieden werden.
§19 Abs 1 LVR: Beim Anfliegen, Überfliegen oder Abfliegen von Flugplätzen sind die von der Austro Control GmbH mit Rücksicht auf die Sicherheit der Luftfahrt und zur Verminderung von Lärmbelästigungen gegebenenfalls aufgetragenen Verfahren einzuhalten.
§19 Abs 5 LVR: Unbeschadet des Abs. 1 kann die Austro Control GmbH auf bestimmten Flugplätzen unter Bedachtnahme auf die Sicherheit der Luftfahrt und zur Vermeidung von Lärmbelästigungen besondere An- und Abflugverfahren auftragen... ... Pflichtwidrige Unterlassungen dieser Aufgabe durch die ACG begründen einen Amtshaftungsanspruch (Zitat aus einem von der AFLG erwirkten Urteils des OLG Wien vom 21.8.2006, Seite 11f.)
§19 Abs 6 LVR Die Bewilligungen gemäß Abs. 5 sind insoweit mit Bedingungen, Befristungen, Auflagen und Widerrufsvorbehalt zu erteilen, als dies mit Rücksicht auf die Sicherheit der Luftfahrt und zur Vermeidung von Lärmbelästigungen erforderlich erscheint.
Abschätzung für 2005
Österreichweite Abschätzung der Feinstaub-Partikel-Emissionen aus Verbrennungsprozessen
Regionale Abschätzung der Feinstaub-Partikel-Emissionen im Großraum Wien
Aufteilung der 26.100 t PM 2,5 - Feinstaub- emissionen nach Gewichts% [1]
PM 2,5 Feinstaub Emissionen in Tonnen [1]
Emittierte Partikelanzahl unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Partikelgrößenverteilung von Flugzeugtriebwerken im Vergleich zu modernen PKW Dieselmotoren [2], [3], [6]
Anteil der Starts und Landungen des Flughafens Wien [4] bzw. Anteil Wien und Niederösterreich in % der Fahrleistung [5] an den jeweiligen österreichischen Werten im Jahr 2005
Emittierte Partikelanzahl des Flugverkehrs der über den FH Wien abgewickelt wird bzw. des Straßenverkehrs in Wien und Niederösterreich
Nationaler Flugverkehr
0,3
78
2,46E+24
74,2%
1,82E+24
PKW
7,4
1931
5,33E+24
35,0%
1,86E+24
leichte LKW
2,6
679
1,87E+24
6,55E+23
schwere LKW
7,9
2062
5,69E+24
30,0%
1,71E+24
Eine Karte mit den in der UVE für die 3. Piste eingereichten Flugrouten lässt für Liesing das Schlimmste befürchten, da die meisten, wenn nicht alle Starts von der 3. Piste Richtung Westen über Liesing gehen würden: